Bikefourpeaks im Juni 2013 von Martin Grafmüller:

Die Anreise zum ersten Startort in Ruhpolding zwei Tage vor dem offiziellen Start verlief aufgrund der Hochwasserkatastrophe nicht planmäßig; der Zug endete in München und ich durfte die bayerische Provinz südlich von München per Regionalbahn, per Taxi, einige km mit dem MTB inkl. Gepäck und mit dem Bus kennenlernen. Trotz aller Widrigkeiten wie überfüllte Bahn, Wartezeiten, Verstauprobleme des Bikes, vermeintliche Informationsdefizite usw. fiel kein einziges böses Wort. Man rückte zusammen und half sich gegenseitig. Diese Erfahrung hat mein Vertrauen an das Gute im Menschen gestärkt.

Der zweite Tag war geprägt mit der Abholung der Startunterlagen, kurze Besichtigung von Ruhpolding mit Einkauf eines Fleecepullis und dem technischen Service von Specialized. Die Vorderbremse war mir zu „weich“ trotz neuer Bremsbeläge, einwandfreier Entlüftung und relativ neuer Bremsflüssigkeit.  Ergebnis: Die Dichtungen im Hydrauliksystem waren zu stark gequollen, Reparatur vor Ort nicht möglich, trotzdem war die Bremswirkung noch gegeben.

Die abendliche Pastaparty mit der Streckenankündigung /-änderung und vor allen Dingen die Aussicht auf schönes Wetter sorgten für eine optimistische Stimmung und die Ungeduld auf den Startschuß war deutlich spürbar- endlich stellte sich das Rennfieber ein……..

 

Tag 1: Ruhpolding-Lofer, 69 km / 1900 hm, Wetter sommerlich warm, trocken

Aufgrund des relativ späten Starts um 10 Uhr und der Gepäckabgabe spätestens um 8.30 Uhr war lange Zeit „Leerlauf“; Warmfahren machte keinen Sinn, da die ersten 17 km aufgrund der Nichtbefahrbarkeit der Waldwege auf der Straße im Pulk neutralisiert verlaufen mußte. Somit verbrachte ich die Zeit mit dem Einreiben von Sonnenschutzcreme, leichter Dehngymnastik der Schultern, Kopf und Arme und der freiwilligen Aufstellung im Block C. Endlich der Startschuß und das Feld setzte sich langsam in Bewegung. Es waren um die 750 angetretene Starter. Nach zwei Minuten fuhr ich erst unter dem Startbanner durch. Nach dem Ortsausgang ging es zügig voran, aus den angekündigten „neutralisierten“ ca. 25 km/h wurden schnelle 35 km/h. Im Windschatten von routinierten Bikern hat dies bei dem herrlichen Bergpanorama richtig Spaß gemacht. Es hätte so weitergehen können, einfach großartig. Doch es ging bei Seegatterl runter von der Straße und gleich in einen Stau rein, Absteigen und Schlange stehen und Schritt für Schritt aufwärts. Schlagartig bin ich von der Realität des MTB-Bikens in der Masse eingeholt worden. Die Ersten konnten dieses Stück mit Sicherheit auch nicht befahren, aber wenigstens zügig durchlaufen. Nach dem Passieren dieses Schiebestücks von ca. 20 min Dauer mußten 400 hm bis zur Winklmoss-Alm auf Schotterwegen bezwungen werden, ganz nach oben zur Wildalm war wegen der Streckenänderung aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Wie im „bikefourpeaks-special.pdf“ angekündigt worden ist , wird´s danach in der Abfahrt ruppiger und der Flow gebremst. Die 900 hm hoch zur Loferer  Alm habe ich unterschätzt, soviele hm gibt es nun mal nicht bei uns im Odenwald. Das letzte steile Teilstück schob ich, weil sich ein Krampf im Oberschenkel ankündigte, der Rücken schmerzte und der Tacho sowieso nur noch 4 km/h anzeigte. Die Schotterabfahrt war ein Genuß, endlich Speed bis in den Grabneralmtrail. Hier darf ich wieder zitieren, weil es treffend diplomatisch umschrieben ist: „Grabneralmtrail,erinnert etwas an die rumpeligen Waldabfahrten am Gardasee – flowig wenn trocken, spannend wenn es geregnet hat.“ Letzteres traf zu und ich bin freiwillig abgestiegen. Nach dem Passieren ging´s noch einige km quasi zum Ausfahren ins Ziel. Hier war alles perfekt organisiert wie Infostand, Bike-wash, gesicherter Bike-Park, kostenloser Busshuttle nach St. Martin und die Pasta-Party- wie später bei den anderen Orten übrigens auch.

 

 

Tag 2: Lofer- Kirchberg  75 km / 2514 hm   Wetter heiß, trocken

Bei leicht ansteigendem Profil in den ersten 5 km konnte ich gut den Rhythmus finden trotz anfänglicher schwerer Beine von der Vortagesbelastung und die 500 hm bis zur ersten Spitze auf dem Waidringer Höhenweg planmäßig befahren. Die anschließende Schotterabfahrt nach Pillersee war ganz nach meinem technischen Fahrkönnen, Bremse auf und runter bei voller Konzentration. Gedanklich war ich schon im Anschluß an eine ebene Strecke über 30 km mit Windschattenfahren. Weit gefehlt, die leichte Profilierung verbunden mit teilweise schweren nassen Böden kosteten Kraft,  und ich ließ mich nicht verführen auf den Straßenabschnitten über mein Limit zu fahren; der Hahnenkamm bzw. die Ehrenbachhöhe auf 1800 m mit „Schnee“ stand noch an. Bei diesem schier endlosen Anstieg biß ich mich bis zum Gipfel durch, trotz nicht einkalkulierter widriger Umstände eines regen LKW- Verkehrs, der mich stellenweise aus dem Rhythmus brachte. An Engstellen bin ich prophylaktisch abgestiegen, da ich den Fahrkünsten der LKW-Fahrer nicht 100%ig vertraut habe. Vor meinem geistigen Auge war das Bild vom schlimmen Ende des Kinofilms „Lohn der Angst“ aus den 60-er Jahren – jeder Zuschauer hat schon gedacht, das ist ein tolles Happyend bis zum Zeitpunkt des LKW-Absturzes in den Abgrund…

Mit relativ  hoher innerer  Anspannung begab  ich mich in  den angekündigten fahrtechnischen Höhepunkt- den Fleckalmtrail ca. 7km/ 900hm und Teilstrecke der Marathon WM 2013!   Hierdrin im Zwangskorsett der Schwerkraft und der restlichen Physik gab´s nur eins:  Vorderbremse auf,  Hinterradbremse zu und den Po hinter den Sattel  bringen, um auf den mit nassen Wurzeln und Steinbrocken verblockten Schlammwegen nicht  zu stürzen.  Dieses  Himmelsfahrtskommando war bei nächster Gelegenheit des sicheren „Parkens“ zunächst  beendet, die Schulter-und Armmuskulatur zitterte und meine Konzentrationsfähigkeit  war am Ende.  Nach einigen endlosen  km Abstieg zu Fuß kam ich ins Grübeln,  Worte des Veranstalters klangen mir noch im Ohr,  ab Mitte des Trails wird´s techn. leichter.  Nun gut, ich schwang mich wieder  auf´s Bike und es ging „grenzwertig“ abwärts.  Die Holzbrückenübergänge waren mit Maschendraht überzogen zwecks sicherem Halt- ohne diese Maßnahme  wäre es aufgrund der Schlammmitnahme und nassem Holz meines Erachtens zur  Katastrophe für die Gestürzten ,  deren Retter und den Veranstalter  gekommen!

Nach so einer Brücke habe ich einmal mein Bike nach einer Grätsche über den Lenker in den Rücken bekommen, da der „Bunnyhop“    über eine große  Kuhle mit  schlammverdreckter nichteingeklickter Pedale mißglückt ist.  Das war nun der endgültige Warnschuß, nicht grenzwertig zu fahren, sondern zu Fuß hinunterzugehen.  Gegen Ende des Trails waren einige künstliche Steilwandkurven gebaut,  die mit Genuß und vollem Speed zu befahren waren, sozusagen  als kleine Entschädigung.

Nochmal ein  Zitat aus der gleichen Quelle:„Der Fleckalmtrail wird bei allen Teilnehmern- aus welchen Gründen auch immer- die Tränen in die Augen treiben.“   Wie wahr…

 

Tag 3: Kirchberg- Kaprun 82 km / 2440 hm,  Wetter heiß, trocken

Nächstes Zitat: „Von Kirchberg steiler und schwieriger- hier fährst Du dich so lange warm, bis es die Beine nicht mehr packen.“   Eine weitere angekündigte Wahrheit!
Das hieß nicht nur für mich definitiv Absteigen kurz unter dem Stangenjoch. Aber was soll´s,  dann konnte ich die Botanik der Bergwelt besser  bewundern,  blühender Enzian am Wegesrand,  einfach grandios.  Danach bis über die Schneegrenze hinauf auf den Zweitausender radelnd, teilweise kurz absteigend über die Schneefelder rennend, und dann ging´s in die Abfahrten.  Diese mußten  sehr schnell  vonstatten gewesen sein, da mir keine konkrete Erinnerung hängengeblieben ist.  Die ca. 25 km lange Flachpassage sind wir  im Wechsel im Windschatten zu dritt gefahren, wir haben uns sehr gut nur mit Gestik verstanden-  Speed und Flow  pur.
Im „Flow“ war der anschließende Maiskogel auf 1500 m Höhe  nur noch ein „ Hügelchen“,  das mit Schwung bewältigt werden konnte.  Zusätzliche Nahrung erhielt diese Fehleinschätzung durch die hörbaren Ansagen im Zielbereich und sichtbaren Festzelte  am Ende von dieser  Flachpasssage.  Es ging nicht durchs Ziel, sondern eine steile Wiesenpassage aufwärts zur Verpflegungsstation.  Dann weiter steil nach oben, der  Schmerz und das Brennen in den Schenkeln im Anstieg holten mich wieder in die Realwelt zurück.  Nach dem Passieren des Maiskogels ging´s in die Abfahrt namens „Bachlertrail“,  vorbelastet vom Fleckalmtrail bin ich in diesen  entsprechend vorsichtig  reingefahren.  Wider erwarten konnte ich diesen flüssig durchfahren,  ab und zu ein Blick nach oben zu den Nachbarbergen und unten ins Tal;   keine Freudenschreie, es war landestypisch gemäß mehr ein Jodeln-der zweite Flow.
Im Ziel nach über 7h  angekommen, war ich zunächst sprachlos.  Die Gedanken und Gefühle  sortierend... 


Ergebnis:  Das ist meine Königsetappe in meinem bisherigen Bikerleben!

 

Tag 4: Kaprun-Neukirchen  69 km/ 2033,  Wetter  heiß , trocken

Die Schlußetappe startete  15 min nach Plan und neutralisiert, wegen Überquerung einiger Bahnübergänge. Nach ca. 4 km ging´s ins Windschattenfahren entgegen der Strecke vom Vortage, wieder Speed pur…, nach 30 km ging´s zum  Lachwald auf 1100 m  hoch, danach auf Asphalt runter, das war „mein Ding“, hier habe ich überholt.  Nach einer kurzen Flachpassage zum Schlußanstieg mit ca. 1100 hm Richtung Wildkogelalm, die auf der Spitze wegen zu hohem Schnee gesperrt war.  Schade dachte ich mir  beim Blick hoch hinauf, hier mußte es superschön sein.  Der abschließende Wildkogeltrail war für mich wieder mal nicht in allen Passagen befahrbar.  Es hieß kein Risiko mehr eingehen, und ein mittlerweile bekannter Grandmaster fast minutengleicher Gesamtleistung dachte ebenso und handelte entsprechend.  Er belegte den 95. und ich den 96. Platz  von insgesamt 121 gestarteten.

 Im Ziel angekommen gab´s sogleich das Finishertrikot und Eiscreme.  Nur eine Kugel konnte ich essen- dann rumpelte es auch schon warnend im Magen,  dann zum Bikewash und Radabgabe zur Verladung in den LKW…

In der Pension angekommen durfte  ich über den Hintereingang eintreten, im Garten war ein herrlich einladender Schwimmingpool,  aber leider nur privat. Nach dem Duschen und dem obligatorischen ½ h Nachmittagsschläfchen bin ich zum Zentrum marschiert.  Schon unterwegs merkte ich die „butterweichen“ Knie.  Bis zur Pastaparty mit üblichem Schlangestehen reichten die Kräfte nicht mehr.  Um 16.30 Uhr ließ ich mir eine Hirschleberknödelsuppe und einen Grillteller mit Pommes-frites und Salat  in einem Straßenrestaurant kredenzen,  andere mittlerweile bekannte Bikerinnen und Biker gesellten sich auch dazu.   Smalltalk während dem Essen, glückliche Finishergesichter- die Welt war in Ordnung.     Getoppt wurde diese Stimmung durch die nicht erwartete Finisherparty auf der Wildkogelalm,  die Stadt hatte extra die Seilbahn angeworfen.  Oben angekommen konnte ich die grandiose Bergwelt bewundern und dann zum Abschlußgang mit Reis und Putenfleisch übergehen.-  ein bombastischer Abschluß.

 

Sonntag,   Rückreisetag mit Bustransfer nach Ruhpolding

Im Bus war außergewöhnlich wenig Kommunikation,  fast jeder war mit sich selbst beschäftigt und der Alltag holte uns wieder ein,  der  Anblick der Murenabgänge und der Straßenschäden durch das Hochwasser taten ein übriges.

In Ruhpolding angekommen ging alles sehr schnell, Radabholung auf bewachtem Parkplatz, dann zum Bahnhof.  Unterwegs schloß sich mir ein Ire an, der nach Karlsruhe wollte.  ER hatte ein außergewöhnliches MTB  aus Titan,  made in USA. Mitten im Gespräch kam eine

Schaffnerin und bei der Kartenkontrolle sagte sie, wir müssten ab Traunstein  nach Übersee.  Ich antwortete, aber nein:  Karlsruhe bzw. Rosenheim wäre schon i.O.  Allgemeines Gelächter folgte:   Es stellte sich heraus, daß  wir mit dem Bus von Traunstein nach dem Ort „ Übersee“  fahren  und hier wieder auf die Bahn umsteigen mußten, weil die Bahnstrecke noch gesperrt war.

 

Fazit:    Tolle Veranstaltung incl.  Organisation

  • AlleEtappenorte waren sehr gastfreundlich-  trotz aller Widrigkeiten.
  • Bei den Pasta-Partys gab´s nicht nur „Pasta“, sondern war „vollwertig“ mit Fleisch
  • Das Antrainierte konnte ich abrufen, mehr aber auch nicht.
  • Im Vorfeld bekannte Schwachstellen waren meine Fahrtechnik, nicht bekannte unerwartete Schwäche im Rennen war meine Oberarmmuskulatur, die in den Downhills ab ca.  10 min intensiver Einwirkdauer streikte.
  • Die allabendliche „ätzende“  1/2 h Dehngymnastik hat wirksam den Schmerz im Rücken und in den Knien  aus dem  ersten Etappentag  verhindert.
  • Die intensiven Flowerlebnisse wirken positiv nach-  welch herrlicher Kontrast zu meinem mit überwiegend  Nüchternheit geprägtem  Leben.

 

Dank  an   Konny  und Markus, die mir noch zwei Tage vor Abreise mit einem Schalthebel mit passendem  Schaltwerk  aushelfen konnten,  da ich beim Schaltzugwechsel „gemurkst“  hatte.

 Sportlichst

Euer   Martin